Montag, 2. November 2015

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Ich war mal Nachhilfelehrerin und hatte einen Job, weil das Bildungssystem nicht für alle taugt. Damit hab ich mein Geld verdient: mit Falten ausbügeln die aber konstant instutionalisiert weiterproduziert werden. Dabei sollte man in der Schule doch gar nix ausbügeln sondern entfalten lassen. Und überhaupt, als Kind, das selber fast nie Hausübungen gemacht hat und im Unterricht oft nur gezeichnet oder ihn gleich geschwänzt hat, fand ich es auch schwierig den Kiddies zu erklären, dass sie nicht in meiner Stunde Comics zeichnen oder Raptexte schreiben sondern Hausübung machen und für die Schularbeit lernen sollen. Wen interessiert das? Die braven Kinder haben mich immer am meisten geärgert, die eigensinnigen Gfraster waren mir immer die liebsten. Weil ich die Gfraster mag, hab ich aufgehört Nachhilfe zu geben.

Jetzt arbeite ich in einem Flüchtlingsheim, hab also einen Job und kann meine Miete zahlen, weil anderswo Kriege herrschen.
Eine Freundin hat einen Job, weil Tiere gequält und als Produkte gehandelt werden. Ein anderer Freund hat einen Job, weil Menschen ausgebeutet werden oder weil fairer Handel und nachhaltige Produktion eine Besonderheit ist und eine neue Produktlinie für eine alternative Zielgruppe liefert. Eine weitere Freundin hat einen Job weil Menschen ihre Wohnungen verlieren und mit ihren Familien nicht wissen wohin. Usw.
Wir wären doch eigentlich gerne arbeitslos. Wir würden so gerne mal fertig werden mit unserer Arbeit; wir könnten in Frieden arbeitslos sein und uns schöneren Dingen widmen. Aber wir sind so part of the plan geworden, dass wir immer gut mit Arbeit versorgt sind. Man verlässt sich auf uns. Andere Leute verdienen Geld damit Löcher zu reißen, die wir wieder stopfen. Löcher reißen, stopfen, Löcher reißen, stopfen. Wieso hat alles ein Verfallsdatum, geplante Obsoleszenz, weniger reparieren, mehr neu kaufen, wegwerfen, neu kaufen, wegwerfen, neukaufen; aber das was wirklich hinkt wird nicht ersetzt sondern genäht und repariert und geklebt, so oft es nur geht. Diese Institutionen und Organisationen für die wir da arbeiten sind Duct Tape für einen perversen Apparat, der uns als zwar ein bisschen kaputt aber immer noch bestes Modell präsentiert wird. Da sind diese Institutionen und Organisationen natürlich wichtig und notwendig. Wir sind wichtig und notwendig für diesen Scheiß. Sie verlassen sich auf uns, dass wir diese Gemäuer stützen anstatt zu stürzen.
In diesem Apparat hat alles seinen Platz. Wenn du keinen hast, wird dir einer zugewiesen. Du bist niemals unzuordenbar. Wenn du es versuchst, gibt es Anstalten für dich, für schwer Erziehbare, psychisch Kranke, Wiedereingliederungs-Projekte, Sozialpädagogik.
Bist du Opfer oder Täter? Scheißegal, wir sind immer beides. Wir sind Kindersoldaten und ausgewachsene Faschistinnen. Du kannst dich nicht freikaufen. Du kannst dich davonstehlen, aber das ist unsolidarisch. Bist du ein einsamer Planet. Dann lebst du im Wald aber der Wald wird dennoch zerstört werden, ohne dass du etwas dagegen tust. Musst das System von innen verändern, mitspielen, pragmatisch sein. Erlaubst dir wieder Junk zu kaufen, weil du eh deine einwandfreie Menschlichkeit durch ein paar Spenden bewiesen hast. Du kannst dich nicht freikaufen. Das befreit dich nicht von den Schulden, die du dann weiter begehst.

Ich soll nicht urteilen. Ich möchte niemanden stören und in den Weltschmerz drängen, niemanden die Augenlider abschneiden, niemanden aus dem Schlaf der Selbstgerechten reißen. Ich möchte nicht moralisierend wirken und von Schuld oder Gerechtigkeit reden. Ich glaube nicht an Schuld oder Gerechtigkeit.
Aber ich glaube an Zeit und Veränderung und Widerspruch.
Ich glaube an Menschen, ihre Fehler und ihren Eigensinn.
und an die Natur. und an die Liebe. sowie auch an den Hass und die Aggression und an die Freiheit.

...

ich geh Tschick kaufen.

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